Krähen gehören zur Gruppe der Singvögel. Das mag einigermassen
erstaunen, zumal das durchdringende Gekrächze der schwarzen Gestalten
nicht mit dem frohen Gesang einer Amsel mithalten kann. Schlecht
schneiden die Krähen auch ab, wenn sie sich an landwirtschaftlichen
Kulturen gütlich tun. Dabei handelt es sich ausschliesslich um
Rabenkrähen, einer von sechs Rabenvogelarten. In der Schweiz brüten
gegen 150’000 solcher Krähen. Sie verteidigen das Revier, in dem sie die
Jungen aufziehen und verhalten sich recht ruhig. Aggressiver treten die
Schwärme auf, denen die Jungvögel und jene angehören, die kein Revier
ergattern konnten. Wie viele es sind, ist unklar. Daniela Heynen von der
Schweizerischen Vogelwarte schätzt, dass es in manchen Gebieten halb so
viele sind, wie die brütenden. Diese Schwärme sind es, die Getreide,
Mais, Gemüse oder Obst beackern. Auch vor Fenstersprossen, Siloballen
oder Abfallsäcken machen die «Gaager» nicht Halt.
Keine Angst vor Vogelscheuchen
Den
gefrässigen Krähen haben die Bauern und das kantonale Jagdinspektorat
den Kampf angesagt. Doch die Krähen werden ihrem Ruf als schlaues Tier
gerecht und reagieren rasch. Beispielsweise verlieren farbige
Plastikbänder jegliche Abschreckung nach rund drei Tagen. Wenig bis gar
keine Furcht zeigen die Tiere vor Vogelscheuchen. Grundsätzlich hat ein
Landwirt die Möglichkeit, auf seinem Grund mit einem für die Jagd
geeigneten Gewehr die Krähen aufs Korn zu nehmen, wenn diese seine
Pflanzen beschädigen.
Jagdinspektor Peter Jeusy hat den gesetzlichen
Auftrag, bei Wildschäden einzugreifen. Die Meldungen von Verwüstungen
nahmen in den letzten Jahren zu und auch politisch wurde die Krähenjagd
gefordert. Doch was beispielsweise bei Rehen oder Wildschweinen
funktioniert – deren Bestand zu reduzieren – klappt bei den Krähen
nicht. Vom 1. September bis zum 1. Februar ist diese Jagd offen. In den
letzten Jahren erlegten Jäger jeweils rund 1300 Tiere. «Ein Tropfen auf
den heissen Stein», meint Peter Jeusy dazu. «Auf den Bestand hat dies
keinen Einfluss.» Ist das nicht ein magerer Ertrag bei 3000 Jägern? «Die
Jagd auf Krähen ist für die Jäger nicht sehr attraktiv. Unter anderem
weil die Tiere nicht verwertet werden können», sagt Jeusy weiter.
Der
Präsident des Bernischen Jägerverbandes, Peter Zenklusen, meint dazu:
«Die Jagd auf den ‹Chräj› ist eigentlich ganz spannend, weil das Tier
sehr intelligent ist». Man könne die Rabenkrähen allerdings fast nur mit
Schrot bejagen, dies bei einer Distanz von höchstens 30 bis 35 Meter.
«Die Vögel durchschauen die Absicht des Jägers sofort», berichtet Peter
Zenklusen. Im Frühling bei der Aussaat von Mais ging er auf einer
Sämaschine auf die Lauer. «Nach dem ersten Abschuss zeigte sich kein
‹Chräj› mehr. Die Rabenkrähen können sich auch bestimmte Autos merken
und sie kennen den Unterschied zwischen einem Spazierstock und einem
Gewehr bestens», erklärt Zenklusen. Die Jäger wollen dem kantonalen
Jagdinspektorat Hand bieten um die Schäden einzudämmen. «Die besten
Erfahrungen machten wir, wenn wir dort jagten, wo die Krähen Schäden
anrichten.» Eine weitere Methode, den Bestand der Rabenkrähe zu
dezimieren, ist die Falle. Dabei werden die «Gaager» mit einer
gefangenen Krähe in einen Käfig gelockt und dann erlegt. «Im Unterschied
zu den Betäubungsaktionen sind die Fallen weitgehend unbestritten»,
sagt Jagdinspektor Peter Jeusy. Auf diese Art werden jährlich über 1000
Krähen erlegt.
Erst gefordert, dann kritisiert
Weil
die Jagd mit Gewehr wenig wirkungsvoll ist, wurden letzten Winter
mehrere hundert Rabenkrähen mit präparierten Körnern betäubt und dann
erlegt. Die «Vergiftungsaktion» rief wiederum politische Kräfte auf den
Plan und der Versuch mit den Betäubungen wurde eingestellt.
Vor zwei
Wochen hat der Grosse Rat nun eine Motion gutgeheissen, die das Problem
von der anderen Seite anpackt. «Die Fehlentwicklung der
Krähenpopulation soll erforscht werden», forderte Kathy Hänni von der
Grünen freien Liste. Nun werden sich die Hochschule für Landwirtschaft
und die Vogelwarte Sempach den vermehrungsfreudigen Krähen annehmen. In
den letzten Jahren hat der Bestand der brütenden Rabenkrähen stets
zugenommen. Die Untersuchung soll aufzeigen, warum dies so ist, und
welche Auswirkungen die Krähen haben. Was hält der bernische
Jagdinspektor von dieser Arbeit? «Langfristig werden die Ergebnisse
sicher etwas nützen. Kurzfristig wird man das Krähenproblem so aber
nicht in den Griff bekommen», sagt Peter Jeusy. «Der Bestand der
Rabenkrähen richtet sich in erster Linie nach dem Nahrungsangebot. Zwar
wurden in den vergangenen Jahrzehnten offene Mülldeponien geschlossen.
Mehr Nahrung im Vergleich zu früher finden die Krähen vor allem in den
dicht besiedelten Gebieten. Die Tiere passen sich eben sehr schnell an.»
Der Kanton Bern soll prüfen, ob die Krähenschäden nicht wie die
anderen Wildschäden abgegolten werden können. Dies ist die zweite
Forderung des parlamentarischen Vorstosses. Die zuständige
Regierungsrätin, Elisabeth Zölch, antwortet, «dass für Schäden, die
Krähen verursachen, auch in Zukunft keine Entschädigungen ausgerichtet
werden sollten». Weil die Krähe jagdbar sei, «erachtet der Regierungsrat
das Entschädigen von Krähenschäden weder als notwendig noch als
angebracht.» Wie gross sind die Schäden? «Weil keine Entschädigung
bezahlt wird, gibt es keine Zahlen», sagt Peter Jeusy. Die Schäden seien
erfahrungsgemäss regional sehr unterschiedlich. «Im Kanton Solothurn,
wo sie abgegolten werden, gab es zwei extreme Fälle, bei denen die
Schäden auf je 16’000 Franken beziffert wurden», berichtet Jeusy. Die
Landwirte, vertreten durch die Lobag, finden eine intensive Bejagung
sinnvoller als finanzielle Abgeltung: Erstens, weil sie dem Image von
Subventionsbezüger entgegenwirken wollen, zweitens, weil sie
zusätzlichen Aufwand befürchten.
Artenvielfalt in Gefahr?
Rabenkrähen
plündern, wie andere Vogelarten auch, die Nester anderer Vögel.
Gefährden die vielen Krähen nun andere, vielleicht seltene Arten? «Die
Rabenkrähen haben nur einen sehr geringen Einfluss auf die
Artenvielfalt», sagt Daniela Heynen von der Vogelwarte Sempach. «Die
Krähen plündern unter anderem auch Nester von anderen Krähen.» Zudem
müsse man die Zahl der Krähen relativieren. Beispielsweise fliegen in
der Schweiz zwei Millionen Buchfinken durch die Luft – «das sind zehn
Mal so viele wie Rabenkrähen».
Dass Rabenkrähen nachweislich den
Bestand von Feldhasen beeinflusst, weiss Peter Jeusy. «Allerdings jagen
auch Mäusebussarde, Füchse und weitere Tiere die Hasen. «Das Beispiel
zeigt, dass es sehr schwierig ist, die Natur zu regulieren – vor allem
wenn der Mensch eingreift.»
Götterbote und Galgenvogel
zue.
Spätestens seit Hitchcocks Thriller «Die Vögel» haben die Krähen einen
schlechten Ruf. Sie gelten als Verkünder von Unheil und Tod. In
christlichen Sagen ist die Krähe der Bote des Heiligen Oswald. Die Tiere
werden noch heute als Galgenvögel bezeichnet, weil sie sich einst als
Aasfresser gerne in der Nähe von Hinrichtungsstätten aufhielten.
In
vorchristlicher Zeit war der Ruf der Rabenvögel besser: Sie begleiteten
die griechischen Götter Apoll und Bakchos sowie den germanischen
Obergott Wotan. In der nordischen Mythologie symbolisiert der Rabe die
Weisheit; Odin hatte stets die beiden Raben «Hugin» und «Munin» bei
sich. Die römischen Auguren ihrerseits lasen aus dem Flug von Raben und
Krähen die Zukunft. Eine positive Rolle spielt die Krähe in den Märchen
nordamerikanischer Indianer. In der griechischen Mythologie hingegen
wurde die Mymphe Koronis von Apollo in eine Krähe verwandelt, weil sie
ihm untreu war.
Raben als sprechende Haustiere
Neben Papageien
gehören Rabenvögel zu den geistig beweglichsten Vögeln. Dies befähigt
sie, sich gegenüber Gefahren und neuartigen Verhältnissen durch Lernen
anzupassen. Noch im 19. Jahrhundert wurden Raben als Haustiere gehalten,
wozu ihre Fähigkeit beitrug, Worte und kurze Sätze unschwer
sprechenzulernen. Ihre beeindruckende Auffassungskraft und Keckheit
konnte den Haltern aber auch lästig werden.
(Quelle Wochenzeitung für das Emmental und Entlebuch vom 29.09.05)