Hannahs Reise

eine Reise durch die nordische Mythologie

Das Haus im Wald


Dicke Regentropfen klatschten an die Scheiben von Hannahs Kinderzimmerfenster. Sie blickte auf die Straße vor dem Haus in dem sie wohnte. Nun war ihr Kinderzimmer leer, ihre Spielsachen waren verpackt und an den Wänden, wo ihre Selbstgemalten Bilder hingen, waren nun nur noch die Klebestreifen zu sehen.

Hannah wollte nicht auf das Land ziehen, alle ihre Freunde wohnten doch hier, da nützte es auch nichts wenn Papa ihr versprach, dass sie ihre Freunde in den Ferien besuchen dürfte oder vielleicht auch manchmal am Wochenende. Als sie gestern Abend weinen musste, versuchte Mama sie zu trösten und versprach ihr, dass sie im Sommer eine Katze haben dürfte. Das machte aber alles nur schlimmer, wo Hannah doch auf Ihrem letzten Wunschzettel ganz klar aufgemalt hatte, dass sie unbedingt einen kleinen Hund haben muss.

So saß sie wohl eine ganze Weile auf dem Fußboden in Ihrem Kinderzimmer als sie die Stimme Ihres Vaters hörte:

>>Hannah wir müssen los, komm beeil dich. << Hannah nahm ihren Teddy unter den Arm und ging die Treppe hinunter. Vor dem Haus stand der Möbelwagen und Papas Auto. Auf der Straße waren auch ihre beiden besten Freundinnen Ines und Gudrun. Nun musste Hannah wieder weinen und Mama musste auch weinen. Papa sah auch komisch aus überhaupt war im Moment alles blöd. Sie verabschiedete sich von Ines und Gudrun und dann versprachen sich die drei, sich ganz oft zu schreiben und natürlich zu telefonieren. Dann stieg Hannah in Papas Auto und sie fuhren los.

Papa versuchte Witze zu machen, aber niemand konnte im Moment über Papas Witze lachen. Der Möbelwagen fuhr voraus und Papa hinterher. Hannah schaute aus dem Fenster und musste immer wieder an die alte Wohnung, ihre Freunde und den Kindergarten denken.

>>Papa?<<

>>Ja!<<

>>Wann fahren wir wieder zurück in die Wohnung zu Ines und Gudrun? << insgeheim hoffte sie, dass Papa nun sagen würde, dass sie nur einen Ausflug machen würden. Papa atmete tief ein und sagte dann:

>>Hannah, wir haben nun ein neues Zuhause mit einem großen Garten, vielen Tieren und bestimmt findest du auch schon bald eine Menge neuer Freunde. << Hannah dachte nach, vielleicht hatte Papa ja recht und vielleicht würde sie wirklich schon bald neue Freunde haben. Sie streichelte ihren nassen Teddy und wünschte sich, dass es dort einen Zauberer geben würde, denn Gudrun hatte einmal von einem Märchen erzählt, in dem ein sehr alter Zauberer in einem Wald lebte, der sehr traurigen Kindern ihre sehnlichsten Wünsche erfüllt. Die Voraussetzung war, der Wunsch musste ganz wichtig sein. Und Hannah hatte einen sehr, sehr wichtigen Wunsch. Aber sie wollte erst einmal abwarten. Sie nahm Ihren Teddy ganz fest in ihren Arm, dann wurde sie müde und schlief ein.

>>Hannah! << wie sehr weit entfernt hörte sie die Stimme ihrer Mutter. Hannah hoffte im ersten Moment, sie hätte nur geschlafen und würde nun eingekuschelt in Ihrem Bettchen im Kinderzimmer aufwachen. Sie wachte auch auf, aber immer noch saß sie in Papas Auto und ihre Lieblingsstrickjacke war durch ihren Teddy ganz nass.

Hannahs Mama sah aus dem Fenster und als Hannah sich den Schlaf aus den Augen gewischt hatte, da sah sie warum ihre Mama so glücklich aussah. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so etwas Schönes gesehen. Papa hatte das Auto angehalten und war ganz leise. Sie standen auf einem Feldweg, es gab weit und breit keine Häuser zu sehen und die Sonne ging auf. Zwischenzeitlich hatte es aufgehört zu regnen, der Himmel hatte keine einzige Wolke und für einen Moment war Hannah nicht mehr traurig.

Wie ein riesiger roter Ball ging die Sonne hinter den Baumwipfeln auf, der Himmel wirkte in seinen Farben wie im Märchen und die Pferde auf der Weide schienen im Nebel wie auf Wolken zu schweben.

Mama sagte:

>>Jetzt weiß ich was mit den Farben des Teufelsmoores gemeint ist. << Hannahs Mama war Malerin und Hannah wollte, wenn sie groß ist, auch Malerin werden. Schließlich hatte sogar ihre Kindergärtnerin ein Bild von Hannah in ihrem Wohnzimmer hängen.

>>Darf ich euch ganz kurz unterbrechen? << fragte Papa.

>>Es ist nur so, dass wir gleich zu Hause sind. << Papa wirkte, als würde er sich auf etwas ganz doll freuen. Mama sagte:

>>Dann bring uns nach Hause. <<

Papa startete das Auto und sie fuhren weiter Richtung Sonnenaufgang. Hannah hatte das erste Mal seit Mannheim ein Gefühl von Freude. Sie sah aus dem Fenster und erblickte Rehe, Hasen und Kaninchen. Sie war völlig aus dem Häuschen, ihre Stimme überschlug sich förmlich wenn sie Mama und Papa wieder ein neues Tier zurufen konnte. So etwas hatte Hannah noch nie gesehen. Natürlich war sie mit ihren Eltern und dem Kindergarten schon einmal im Zoo gewesen, aber hier durften die Tiere frei herumlaufen und sie konnte alle Tiere ganz genau sehen. Diesmal verwehrte ihr kein Erwachsener den Blick auf die Tiere.

Als Papa abbog, konnte Hannah den Möbelwagen auf der Strasse sehen. Der Fahrer ein großer Mann mit dickem Bauch stand auf der Strasse und unterhielt sich mit einem anderen, der eine braune Latzhose, grüne Gummistiefel und einen schmutzigen Hut trug. Papa hielt das Auto an und begrüßte den Mann. Hannah wollte nicht aussteigen, sie hatte Angst vor dem Fremden. Papa sprach noch kurz mit dem Fahrer vom Möbelwagen, und dann fuhren sie gemeinsam die Einfahrt hinunter.

Links und rechts der Einfahrt standen wunderschöne Bäume mit weißen Stämmen und hellgrünen Blättern.

>>Schau, die schöne Birkenallee! << sagte Mama zu Hannah. Sie fuhren durch einen kleinen Wald und standen dann auf einer wunderschönen Lichtung mit uralten Obstbäumen und sechs sehr alten Eichen, die wie Beschützer oder Wächter wirkten. Die Eichen waren so dick, dass Hannah sich hinter ihnen verstecken konnte. Hannah stieg aus dem Auto aus und lief auf die Eichen zu. Sie hatte das Bedürfnis die dickste der Eichen umarmen zu müssen. Sie nahm die Eiche ganz fest in die Arme, blickte in die Krone und sagte ganz leise:

>>Hallo Baum ich bin Hannah. << Auf einmal wurde ihr schwindelig und sie spürte ein warmes Gefühl, dann hörte sie eine Stimme wie tief aus dem Baum die sagte:

>>Hallo Hannah und ich bin Odin. << Hannah erschrak dermaßen, dass sie vor Schreck in das weiche Moospolster fiel, welches den Baum umgab. Sie lief aufgeregt zu ihren Eltern um das Geschehene zu erzählen. Hannah stammelte:

>>Odin hat, er hat….<<

>>Was hat Odin Hannah? und wer ist Odin? <<Hannah wollte gerade anfangen zu erzählen, von dem Baum, der Stimme und ihren Gefühlen, als sie den Mann mit den Gummistiefeln bemerkte. Er lächelte sie an und sagte:

>>Wahrscheinlich ist sie von den Eichen beeindruckt. <<

Hannah würde noch genug Zeit haben, ihren Eltern von dieser mysteriösen Begegnung zu erzählen, jetzt gab es etwas Wichtigeres zu entdecken. Das Haus!

>>Hannah, schau nur wie schön<< sagte ihre Mutter. Vor ihnen stand ein altes Fachwerkbauernhaus, unheimlich groß und mit sehr vielen Fenstern.

>>Wo sind die anderen Leute? << fragte Hannah.

>>Welche anderen Leute? << sagte Mama.

>>Na die anderen Leute die hier wohnen. <<

>>Es gibt keine anderen Leute hier, das ist unser neues Zuhause. So und nun such dir dein Zimmer aus und schau dich um. <<Hannah lief in das Haus und sah sich zunächst einmal jedes Zimmer genau an. Es gab so viel zu überlegen, wo soll das Bett stehen? Hat das Zimmer genug Fenster? Werden sich Hannahs Puppen wohl fühlen? Aber vor allen Dingen, ist genug Platz für die Freundinnen wenn sie zu besuch kommen? Hannah entschied sich dann für ein Zimmer im Obergeschoss des Hauses. Das Zimmer hatte vier Fenster und das Wichtigste, Platz für mindestens zwei Luftmatratzen, wenn Ines und Gudrun kommen würden. Unheimlich stolz lief Hannah zu ihrer Mutter, um von ihrem Ergebnis zu berichten. Als sie ihrer Mutter erzählte, für welches Zimmer sie sich entschieden hatte, musste ihre Mutter laut lachen. Hannah bekam also das Atelier ihrer Mutter.

Nachdem Hannah den Möbelpackern erzählte, wo das Bett, der Schrank und die Kartons mit den Spielsachen aufgestellt werden sollten, entschied sie sich ein wenig ihr neues Zuhause zu erkunden.

Vor der Haustür traf sie ihren Vater, der obwohl schwer bepackt, irgendwie glücklich wirkte.

Irgendetwas in ihr ließ sie Richtung Wald laufen. Es war ein sehr schöner und doch geheimnisvoller Mischwald. Dort wuchsen sehr viele verschiedene Laubbäume und ebenso viele Nadelbäume und es gab riesige Rhododendren, die sie schon einmal in einem Stadtpark in Mannheim gesehen hatte. Sie sah die verschiedensten Vögel. Hannah setzte sich auf einen Baumstumpf, genoss die klare Waldluft, schloss die Augen und lauschte dem Gesang der Vögel. Hier gefiel es ihr, man hörte keine störenden Stadtgeräusche, keine Autos, kein Stimmengewirr, niemand stritt, es war einfach nur friedlich. Sie machte sich weiter auf Erkundungstour durch den nun heimischen Garten und wunderte sich, dass es keine Zäune oder Straßen gab, die das Grundstück in irgendeiner Art begrenzten.

Als Hannah wieder nach Hause kam, waren ihre Eltern außer sich.

>>Wo warst du? << rief ihre Mutter.

>>Ich habe mich doch nur umgesehen<< sagte Hannah den Tränen nahe. Sie war sich wirklich keiner Schuld bewusst. Ihre Mama nahm sie dann fest in die Arme und sie mussten beide weinen.

Im laufe des Abends erfuhr Hannah, dass sie über zwei Stunden die Umgebung erkundet hatte, ihr Vater die Bauern der Umgebung zu einer Suchaktion mobilisieren wollte und ihre Mutter einem Nerven-Zusammenbruch nahe war. Hannah musste versprechen, sich nun immer abzumelden und immer in Sichtweite des Hauses zu bleiben.

Nach dem Abendessen war es Zeit für Hannah ins Bett zu gehen. Sie ging in ihr neues Reich, Papa und Mama kamen um ihr eine gute Nacht zu wünschen und Hannah lauschte den Geräuschen der Nacht. Aber es gab keine Geräusche. Es gab überhaupt keine Geräusche. Hannah lauschte und strengte sich an, dann hörte sie den Ruf einer Eule und ihr wurde mulmig. Hannah zog sich die Decke über den Kopf und griff nach Ihrem Teddy. Wo war der Teddy? Hannah sprang aus dem Bett suchte in ihrer Spielzeugkiste, im Schrank und auf den Fensterbänken. Sie konnte ihren Teddy nicht finden. Hannah überlegte angestrengt und schließlich fiel ihr ein, wo sie den Teddy vergessen hatte. Der Teddy lag draußen unter der Eiche.

Hannah konnte nicht einfach zu ihren Eltern gehen um ihnen zu erzählen, sie müsse mal eben ihren Teddy hereinholen, zumindest befürchtete sie dies. Aber sie konnte auf keinen Fall den Teddy draußen allein mit einer Eule und diesem komischen sprechenden Baum lassen. Oh nein, „ Der Sprechende Baum.“ Hannah hatte jetzt richtige Angst, aber der Teddy. Hannah saß noch eine Weile auf der Bettkante und dachte nach, dann zog sie ihren Bademantel an und schlich die Treppe herunter. Draußen war es dunkel, richtig stockdunkel. Noch nie, seit Hannah sich erinnern konnte, hatte sie so eine Dunkelheit erlebt. Höchstens, wenn sie sich ganz fest die Augen zuhielt. Auf einem Regal nahe der Treppe, fand sie Papas Taschenlampe. Nun musste sie nur noch die Haustür öffnen und ganz schnell ihren Teddy holen.

Hannah nahm all ihren Mut zusammen, öffnete die Tür und schlich im Schein der Taschenlampe in die Nacht. Auf einmal war es gar nicht mehr so still, hier schrie eine Eule dort knackte ein Ast. Ihr kleines Herz schlug ihr bis zum Hals, sie hatte das Gefühl in ihren Ohren würde das Meer rauschen.

>>Da ist er ja! << hörte sie sich rufen und erschrak vor sich selbst. Sie lief auf ihren Teddy zu und schnappte ihn ziemlich unsanft am Bein. Plötzlich überkam sie ein warmer Schauer und die Stimme von heute Morgen sagte zu ihr:

>>Ich habe gut auf ihn aufgepasst und nun schlaf schön Hannah. << Hannah lief so schnell sie konnte nach Hause, aber auf halbem Weg drehte sie sich abrupt in Richtung Eiche um, fasste sich ein Herz und rief:

>>Gute Nacht Odin und danke fürs Aufpassen.<<

Als sie mit Taschenlampe und Teddy das Haus ereichte, sah sie ihren Vater in der offenen Haustür stehen. Hannah sah ihren Vater an wie er dastand, die Arme vor der Brust verschränkt, die Stirn in Sorgenfalten gelegt und er lächelte nicht. Hannah überlegte wie sie diese Situation am besten erklären sollte, sie begann zu stammeln, aber es fiel ihr nichts ein. Papa sah sie an, räusperte sich und schien auf eine Erklärung zu warten. Schließlich blickte Hannah an sich herunter, sah ihren Teddy, die Taschenlampe mit der sie ihrem Vater unentwegt in sein Gesicht leuchtete, ihren offenen Bademantel und schließlich ihre furchtbar schmutzigen Füße. Hannah wusste nicht mehr was sie machen sollte, hob ihren Teddy bedeutungsvoll in die Höhe als wollte sie einen Schwur leisten, begann ganz fürchterlich zu weinen und erzählte tränenerstickt von ihren Erlebnissen. Leider konnte Papa wegen der Tränen und der Aufregung nur die Hälfte verstehen. Er nahm sie fest in die Arme, schloss die Tür und sagte:

>>Über deinen neuen Freund unterhalten wir uns morgen, jetzt wollen wir erst einmal deine Füße waschen. << Als Papa Hannah in ihr Bett brachte schlief sie sofort ein.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, brauchte Hannah einen Augenblick um zu realisieren, dass sie nicht in ihrem Kinderzimmer in Mannheim war. Sie ging zu ihrem Fenster und öffnete es ganz weit. Draußen war es schon hell und eine Unmenge von Vögeln schien durcheinander zu singen. Hannah genoss diesen Moment und dann fiel ihr wieder der gestrige Abend ein. Sie vergewisserte sich, dass ihr Teddy noch da war, zog ihren Bademantel an und ging die Treppe hinunter.

In der Diele saß ihre Mama beim Frühstück.

>>Hallo Hannah, hast Du schön geschlafen? << Hannah wollte gerade ihre Mama begrüßen, als die Haustür aufging und ihr Vater mit dem schmutzigen Mann von Gestern herein kam. Sie begrüßte ihren Papa und tat so als wäre der andere Mann gar nicht da.

>>Hannah, willst du Hans-Hermann nicht guten Morgen sagen? <<

>>Nein! << sagte Hannah. Papa wirkte etwas hilflos und sagte zu dem anderen Mann:

>>Sie muss sich erst an alles gewöhnen. << Hans-Hermann lachte und sagte:

>>Na, da muss ich ihr wohl mal meine kleinen Hundewelpen zeigen. <<

Hannah stand wie versteinert in der Diele, mit großen Augen und offenem Mund starrte sie Hans-Hermann an. Was hatte der Mann gesagt? Hat er eben Hund gesagt? Auf einmal war Hans-Hermann gar nicht mehr so scheußlich. Hannah erholte sich von ihrem Schreck und sagte wie aus der Pistole geschossen:

>>Guten Morgen Hans-Hermann, wann kann ich die Hunde sehen? <<

Sie setzten sich gemeinsam an den Frühstückstisch und Papa und Hans-Hermann unterhielten sich über Brennholz, welches Hans-Hermann am Nachmittag bringen wollte. Mama las in der Tageszeitung und Hannah überlegte, wie es wohl wäre, wenn sie einen kleinen Hund hätte der immer bei ihr wäre.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und sagte zu Hans-Hermann:

>>Du, ich zieh mich schon mal an, dann können wir los und die kleinen Hunde ansehen. << Papa verdrehte die Augen und sagte:

>>Hannah, Hans-Hermann möchte jetzt seinen Kaffe trinken. << Papa machte dieses Gesicht, das er immer machte wenn Hannah dazwischen redete und Besuch da war. Verstand er denn nicht, wie wichtig es war? Hannah musste natürlich dringend einen Hund haben und vielleicht waren die Hunde nachher alle schon groß oder alle schon verkauft! Hans-Hermann wusste genau, dass es keinen Sinn machen würde, noch länger Kaffee zu trinken. Er stand auf und sagte:

>> So Hannah, dann lass uns die Hundebabys anschauen. << Kaum hatte er das gesagt, stand Hannah auch schon angezogen an der Haustür. Hans-Hermann und Hannah fassten sich an den Händen und gingen gemeinsam die Einfahrt hinauf. Hannah fand auf einmal die Hände von Hans-Hermann gar nicht mehr so schmutzig und vor allen Dingen hat Mama nicht gemeckert und gesagt, dass sie keinen Hund haben dürfte.

Als Hannah und Hans-Hermann auf seinem Hof ankamen, war Hannah zunächst erstaunt, dass die Kühe direkt vor dem Haus standen. Hans-Hermann erklärte ihr darauf, dass die Weiden hinter dem Bauernhof noch zu nass und matschig seien, als das die Kühe dort nicht einsacken würden. Hans-Hermann und Hannah gingen auf ein offenes Scheunentor zu. Dort kam den beiden auch schon die Mutter der Welpen entgegen und begrüßte die beiden überschwänglich. Hannah konnte gar nicht genug davon bekommen wie Tessa ihr Gesicht und Hände leckte. Das Schönste jedoch war, Hannahs Mutter war nicht dabei und konnte nicht mit ihr schimpfen, weil sie mittlerweile im schönsten Matsch auf dem Hosenboden saß.

Als Tessa und Hannah sich ausreichend miteinander bekannt gemacht hatten, stand Hannah auf und folgte Hans-Hermann in das Dunkel der Scheune. Es roch wunderbar nach frischem Heu und Hannah konnte auf dem oberen Heuboden einige Katzen entdecken, die sie neugierig beobachteten. Hans-Hermann führte sie zu einer großen Kiste, in der Tessa es sich zwischenzeitlich mit ihren Welpen gemütlich gemacht hatte.

Hannah fühlte sich in diesem Moment irgendwie feierlich. Sie stand da und beobachtete fasziniert wie die Welpen schliefen. Bis auf einen, dieser kleine Hund stapfte so schnell ihn seine wackeligen Beine tragen konnten auf Hannah zu und versuchte an der Kiste empor zu klettern. Hannah sah Hans-Hermann schüchtern an und fragte:

>> Darf ich ihn streicheln? << Hans-Hermann lachte.

>>Natürlich, deshalb bist du doch hier, aber der kleine Hund ist ein Mädchen.<< Hannah beugte sich zunächst etwas zaghaft zu der Kleinen herab, aber es dauerte nicht lange, da hatte sie den kleinen Hund auch schon auf dem Arm und überlegte angestrengt, wie sie es anstellen sollte das dies auch so bleiben würde.

Was Hannah brauchte war ein Schlachtplan und den brauchte sie schnell. Zunächst müsste sie Hans-Hermann davon überzeugen, dass sie den Hund unbedingt behalten muss, dann ihrer Mutter erklären, dass sie natürlich immer mit dem Hund spazieren gehen würde - auch bei Regen - und Futter und Wasser immer unaufgefordert auffüllen würde. Es war schon ein schwieriges Los für ein fünfjähriges Mädchen.

>>Ich glaube sie mag dich<< sagte Hans-Hermann und unterbrach Hannahs Gedanken.

>>Kann ich sie heute schon mitnehmen?? << platzte es aus Hannah heraus.

>>Meinst Du nicht, wir sollten zuerst Deine Eltern fragen? <<

>>Sie werden bestimmt nichts dagegen haben, weil… Papa ist ja Tierarzt und dann kostet es auch nichts wenn sie einmal krank wird. <<

>>Ja, aber sie bleibt leider nicht so klein und wenn sie einmal so groß wie ihre Mama ist, dann hat sie bestimmt den gleichen gesegneten Appetit, << entgegnete Hans-Hermann auf Hannahs Überredungs-Künste.

Hannah hatte sich die Überzeugung von Hans-Hermann irgendwie leichter vorgestellt. Aber da fiel ihr Odin ein, der würde bestimmt eine Lösung für Hannahs Problem haben. Er hatte bestimmt schon unzählige kleine Mädchen kennen gelernt, die dringend einen Hund haben mussten. Ihr Entschluss stand fest, sie würde Odin um Hilfe bitten, der Baum war ihr zwar unheimlich, aber schließlich hatte er auch auf ihren Teddy aufgepasst und war auch sonst nett zu Hannah.

Sie verabschiedete sich von der Kleinen und übergab Hans-Hermann das Hundebaby. Der Bauer nahm den kleinen Hund und setzte ihn vorsichtig zurück in die Kiste zu seinen Geschwistern. Hans-Herman, Hannah und der kleine Hund wechselten stumme Blicke. In diesem Moment vermochte wohl niemand ein Urteil zu fällen, wer von den Dreien trauriger aussah. Hans-Hermann unterbrach die Stille und sagte zu Hannah:

>>Ich hole dich von nun an jeden Tag ab, damit du die Kleinen besuchen kannst. <<

>>Danke! << sagte Hannah und fasst hätte sie geweint, aber sie hatte einen Plan und den durfte sie von jetzt an nicht mehr aus den Augen verlieren.

Hannah und Hans-Hermann verließen die Scheune und gingen Hand in Hand die Einfahrt hinauf in Richtung Straße und immer weiter in Richtung Hannahs Zuhause. Dort angekommen wollte Hannah ganz schnell ihrem Vater alles erzählen, aber Papa war nicht zuhause. Er hatte Hannah gestern Abend erzählt, dass. er heute seinen ersten Arbeitstag in der Tierarzt-Praxis hatte. Also musste sie ihre Mama mit den Neuigkeiten überschütten. Hannah begann innerlich mit dem Gespräch und der Überzeugung ihrer Mutter, als ihr einfiel, dass sie doch zuerst mit Odin reden wollte, damit sie auf keinen Fall einen Fehler in ihrer Argumentation machen würde.

Hannah und Hans-Hermann betraten das Haus und Hannahs Mama war gerade damit beschäftigt die Umzugskartons auszuräumen und die Schränke sauber zu machen, als sie aus Bergen von Zeitungspapier an Hannah gewandt sagte:

>>Hallo Hannah, hat dein Ausflug Spaß gemacht? <<

>>Ja, es war sehr schön und Hans-Hermann hat mir die Hundemama und die Babys gezeigt und ich habe mir auch schon einen Hund ausgesucht. << Hannah dachte einen Moment darüber nach, was sie da gerade gesagt hatte. Mama würde jetzt bestimmt nein sagen und außerdem hatte sie sich nicht an ihren Plan gehalten. Vorsichtig wechselte Hannah einen Blick mit Hans-Hermann, der irgendwie genauso hilflos wie sie selbst wirkte. Es machte den Eindruck als wären alle Geräusche mit Ausnahme des Radios verstummt und es schien wie eine Ewigkeit bis Mama sich schließlich räusperte und sagte:

>> Hannah, ich mag es nicht wenn du mich mit solchen Entscheidungen überfällst. <<

>>Aber Mama, dass war doch kein Überfall, du weißt doch dass ich dringend einen Hund haben muss und außerdem würde mich ein Hund immer wieder nach Hause bringen, wenn ich mich im Wald verlaufe. <<

>>Du kannst dich gar nicht im Wald verlaufen, wenn du beherzigst, dass du immer in Sichtweite des Hauses bleiben sollst<< schloss Mama die Diskussion ab. Das war es nun dachte Hannah und irgendwie machte es den Anschein, dass dies für den Moment das letzte Wort in Sachen Hundehaltung war.

Hannah fiel wieder ihr Plan ein und sie musste in sich hineinlachen. Na klar, Odin hat diese Situation bestimmt schon tausendmal erlebt, denn andere Mädchen haben schließlich auch Eltern die zu überzeugen sind.

>> Mama darf ich in den Garten gehen? <<

>>Ja, aber du weißt, dass du beim Haus bleiben musst! << Hannah warf Hans-Hermann ein Lächeln zu und verließ das Haus. Auf dem Weg zur Eiche hoffte Hannah darauf, dass Hans-Hermann und ihre Mama sich noch weiter über den Hund unterhalten würden und das Hans-Hermann Hannahs Mama von den vielen Vorzügen eines Hundes überzeugen würde.

Es war ein wunderschöner Vormittag. Die Vögel sangen heute besonders schön und Hannah sah zum ersten Mal in ihrem Leben ein Eichhörnchen. Sie sah so angestrengt in die Baumkronen, dass ihr fast der Hals wehtat. Als sie das Eichhörnchen aus den Augen verloren hatte, fiel ihr Blick auf einen wunderschönen Strauch, der mit riesigen Dolden von lilafarbenen Blüten übersäht war. Aber das Tollste war, auf den Blüten tummelten sich unzählige Schmetterlinge in allen Größen und Farben. Sie schienen gar keine Angst zu haben und ein Schmetterling setzte sich sogar auf ihre Schulter. Davon würde sie Ines und Gudrun erzählen, aber im Moment hatte sie damit zu kämpfen nicht ohnmächtig zu werden. Hannah hörte nämlich auf zu atmen, um den Schmetterling nicht zu erschrecken. Also stand sie unbeweglich wie eine sehr kleine Vogelscheuche vor dem Strauch und hielt es schließlich nicht mehr aus, sie atmete so tief ein, dass sie Angst bekam sie würde den Schmetterling verschlucken.

Hannah freute sich, dass der Schmetterling unversehrt geblieben war und der Schmetterling sicher auch. Jetzt wollte Hannah aber ihren Plan verwirklichen. Sie drehte sich um und konnte in der Ferne die große Eiche sehen. Die Eiche war um ein Vielfaches höher als das Haus und sah geheimnisvoll und sehr mächtig aus. Der Wind spielte leise mit den Zweigen und Blättern und es schien als würde sie der Baum herbei winken.

Hannah machte sich auf den Weg und sie wollte sehr tapfer sein.

(Fortsetzung folgt)
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