"Die vergessene Göttin"

© Margret Silvester 1996

Die vergessene Göttin

 

 Das Osterfest – allgemein bei uns als Fest der Auferstehung bekannt – fällt dieses Jahr auf die Zeit vom 14. bis 17. April. Nachdem am Karfreitag die Kreuzigung Jesu Christi stattgefunden hat, wird am Sonntag darauf seine Auferstehung gefeiert. Ostern ist ein sogenanntes „verschiebbares“ Fest, welches sich trotz Kirchenzuordnung nach dem Mondjahr richtet. Was verwunderlich ist, denn der Mond (die Mondin) gilt als Kalender „heidnischer“ Kulturen. Zum Fest gehören Osterhasen und die Ostereier, die Lämmer und die Zweige der Weide mit ihren Kätzchen.

Wenig verbreitet ist das Wissen über den Ursprung dieser Attribute. Bevor das Christentum Einzug hielt und mit großem Erfolg allen anderen Glauben verdammte, verbannte und sogar verbrannte, wurde zu Ehren der jungen Göttin Ostara das Frühlingsfest (eines von insgesamt acht Jahreskreisfesten) gefeiert – mit dem Hasen als Lichtbringer und den Eiern als Fruchtbarkeitssymbol. Wenn wir heute Eier bemalen, wissen wir kaum noch, dass auch dies eine uralte Tradition hat. Die Menschen schrieben oder malten früher ihre Wünsche auf die Eierschalen und baten die junge Göttin um den Segen dafür. Die Tag- und Nachtgleiche (zwischen dem 20. und 23. März) wurde zum Anlass genommen, alle im Winter hergestellten Dinge – gewebt, genäht, gesponnen – auf dem Grün vor den Dörfern zur Bleiche auszubreiten. Dann kam Ostara auf ihrem von einem Widder gezogenen Wagen – aus der Dunkelheit des Winters wiedergeboren (!) – und segnete die Sachen. Sie segnete die Felder und die Saaten, die jungen Tiere und das Wasser der Quellen. Während der langen Wintermonate hatte sie das Wettermachen gelernt,  und da sie noch jung und ungestüm war, fuhr sie mit ihrem Widder-Wagen über den Himmel und probierte alles Wetter aus (Frau Holle).

Später ist dies mit dem Spruch „April, April, kann machen, was er will!“ bedacht worden. Der name der Göttin Ostara hat seine Herkunft in dem Wort Osten, welches auch den Morgen bezeichnet. Dem Morgen wurde die Farbe Grün und das Element Luft zugeordnet. Aurora (die römische) und Eos (die griechische) sind die entsprechenden Göttinnen in diesen Kulturkreisen. Tag- und Nachtgleichen (im Frühling und im Herbst) sind rund um den Erdball datumsgleich und werden auch heute noch in vielen Ländern der Erde – ähnlich wie früher bei uns – gefeiert. Zu Zeiten, bevor die Kirche die alten Feste in ihre „Obhut“ übernahm, feierten die Menschen die Jahresfeste bis zum nächsten Vollmond. Das dauerte im „ungünstigsten“ Fall 27 Tage und wurde mit Einzug anderer Obrigkeiten nicht gern gesehen, da die Menschen sich dann leider nicht mit so wichtigen Dingen wie Kriegstreiberei und Anhäufung von Reichtum für andere befassen konnten. Außerdem waren sie während der Zeit des Feierns und des Vorbereitens nicht „fassbar“ und ließen sich das Feiern nicht so einfach nehmen. Man musste ihnen schon eine Alternative bieten. Die Kirche war schließlich die geeignete Institution, die einen Weg fand, beides zu vereinen. Sie stellte neue Regeln des Zusammenlebens auf und legte eigene Feste auf die Daten der sogenannten heidnischen.

Immer und überall klappte es nicht, wie wir an dem verschiebbaren Datum des heutigen Osterfestes noch sehen können. Es wird zwar nicht mehr der Frühlingsanfang gefeiert, richtet sich jedoch immer noch nach dem Mondkalender.

Im übrigen ist das Fest für viele so oder so nicht mehr das, was es war oder was es ist, sondern eine Aneinanderreihung von freien Tagen, sie als solche genossen werden.

Und dies ist völlig legitim, dass jede/r für sich entscheidet, auf welchem Glaubensboden er steht oder nicht.

Lassen wir also die „Gretchenfrage“ da, wo sie hingehört, nämlich bei Goethes „Faust“ und freuen uns auf ein paar schöne freie Frühlingstagstage, an denen die Kraft der Erde wieder auferstanden ist.

(Wenn Sie Fragen an Frau Silvester haben, dann schreiben Sie bitte an den Rabenbaum. Wir leiten Ihre Zuschriften weiter)

 

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